Teamtheater: "Die letzten Tage der Menschheit" - Messerscharf umrissene Gestalten
Zum schlimmen Ende sieht die Bühne aus wie ein Schlachtfeld am Tag danach. Was Bühnenbildner Thomas Bruner zunächst als gut aufgeräumten Raum der sich wohl geordnet fühlenden Doppelmonarchie Österreich-Ungarn in das Teamtheater Tankstelle baute, ist am Ende verwüstet. Das Drama ist monströs und lässt ein Gespür für den Krieg entwickeln, von dem es handelt. Mehr als 1.000 Figuren tummeln sich in 220 Szenen auf mehr als 100 Schauplätzen zwischen Atlantik und Schwarzem Meer.
Obwohl Karl Kraus selbst erklärte, seine 1922 erstmals vollständig erschienene Szenencollage "Die letzten Tage der Menschheit" sei unaufführbar, gab es immer wieder Inszenierungen, wenn auch noch nie mit dem vollständigen Text. Erst im vergangenen Sommer machte Paulus Manker in einer Berliner Industriehalle und eine begehbare, szenische Rauminstallation aus dem Werk. Während der sieben Stunden passierte Vieles simultan. Georg Büttel erzählt in München die Geschichte des Ersten Weltkriegs nun ganz traditionell linear in nur atemlosen zwei Stunden.
Short-Cut-Dramaturgie in "Die letzten Tage der Menschheit"
Die überbordende Fülle an fiktiven Dialogen und authentischen Fundstücken aus Zeitungen, Literatur, Korrespondenz oder Reden ist bei Büttel in einer knapp getakteten Short-Cut-Dramaturgie weiter verdichtet. Karoline Troger, Otto Beckmann, Aki Tougiannidis und Max Pfnür sind die Passanten auf der Straße, die Zeitungsverkäufer, die Journalistinnen und Journalisten, die Kraus überhaupt nicht mochte, der häufig auftauchende "Nörgler", die immer ein bisserl deppert politisierenden Offiziere oder die kaiserlichen Hoheiten Franz Joseph I. und Wilhelm II.
Trotz der rasend schnellen Umzüge, für die die Kostümteile von Kaffeehaus-Garderobenständern gezupft werden, sind die Gestalten sofort messerscharf umrissen. Eine der witzigsten Szenen ist die Begegnung des als Kriegsberichterstatter tätigen und hier als schuhplattelnder Lederhosenträger auftretenden Ludwig Ganghofer mit einem schwer berlinernden Kaiser Wilhelm ("mein lieba Janghofer").
Bedrückend: Hoffen auf den frühen Kindstod
Mit dem Kriegsverlauf aber verdüstert sich auch das satirisch gezeichnete Puzzle und wird zu grimmigen Momentaufnahmen von dem, was der Krieg mit Menschen macht.
Zu den bedrückenderen Szenen gehört der Brief einer jungen Frau, die ihrem Mann einen Seitensprung beichtet. Damals glaubte sie, ihr Mann sei tot und nun ist sie schwanger. Sie hofft, dass das Kind frühzeitig stirbt, denn "dann ist alles gut".
Teamtheater, 4. bis 16. Oktober, mittwochs bis samstags, Tickets hier und unter 089/2604333
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